Susanne Abbuehl hat eine ganz eigene Art sich in Texte förmlich hineinzuleben, die ihnen innewohnenden Melodien und Rhythmen zu erkunden, und sie schließlich fließen und schwingen zu lassen. All diese Gaben kommen nun auf ihrem dritten ECM-Album “The Gift” zu voller Blüte.
Sieben lange Jahre sind seit der Veröffentlichung von Abbuehls letztem Album “Compass” verstrichen. In dieser Zeit hat die Sängerin und Komponistin ihr Ensemble mit einigen neuen Musikern besetzt. Geblieben ist einzig der niederländische Pianist Wolfert Brederode , der auch auf den beiden vorangegangenen Alben eine zentrale Rolle gespielt hatte. Brederode und Abbuehl, die sich während ihres Studium am Königlichen Konservatorium von Den Haag kennenlernten, sind nun schon seit zwanzig Jahren musikalische Partner. Die Sängerin lobt an ihrem treuen Begleiter vor allem seine Fähigkeit, die Musik aus dem Stegreif zu formen und sie mit immer neuen Ideen zu füttern und zu entwickeln. In Abbuehls Ensemble dienen Brederode geduldige Akkorde und subtile Harmonien stets dem Kontext und nicht der Selbstdarstellung.
Den Platz des Klarinettisten Christof May übernahm 2009 der sehr intuitiv agierende Schweizer Trompeter und Flügelhornist Matthieu Michel. “Mit ihm brauche ich über die Richtung nicht zu sprechen. Alles ergibt sich für ihn aus der Musik, ohne vorherige Absprachen.” Sein Instrument setzt Michel dabei manchmal wie eine Art zweiter Stimme ein, wie man besonders schön in den Unisono-Passagen von “This And My Heart” hören kann. Komplettiert wird die neue Besetzung durch den Finnen Olavi Louhivouri, der mit seinem einfühlsamen Schlagzeugspiel bereits auf Tomasz Stankos “Dark Eyes” begeisterte.
Neben eigener Lyrik vertonte Susanne Abbuehl für “The Gift” auch Gedichte von Emily Dickinson, Emily Brontë, Sara Teasdale und Wallace Stevens. Und während sie früher häufiger auf Fremdkompositionen von u.a. Carla Bley, Chick Corea, Thelonious Monk und sogar Sun Ra zurückgegriffen hatte, komponierte Abbuehl diesmal bis auf eine Ausnahme – “Soon (Five Years ago)” von Vibraphonist Wolfgang Lackerschmid – alle Stücke selber. Kein Wunder also, dass “The Gift” ihr bisher persönlichstes und zugleich bestes Album geworden ist. Das Warten hat sich gelohnt!