“Auf deiner ersten Platte spielst du die Songs, die du zu deinem eigenen Vergnügen geschrieben hast, während du aufgewachsen bist und als du noch eine Menge über Musik zu lernen hattest”, bemerkt Teddy Thompson. “Dann bekommst du einen Plattenvertrag, und bei deiner zweiten Platte geht es darum, daß dir klar wird, daß dein Leben von nun an daraus bestehen wird, professionell Musik zu machen.” Daß Thompson mit seiner Karrierewahl eine weise Entscheidung getroffen hat, bestätigt “Separate Ways”, sein zweites Album überhaupt und sein erstes für Verve Forecast. Die neue Scheibe hält entschlossen das Versprechen, daß Thompson mit seinem titellosen Debütalbum gegeben hatte und zeigt den charismatischen jungen Künstler als zutiefst ausdrucksvollen Sänger und prägnanten Gitarristen sowie als einen Songwriter von ungewöhnlicher Eloquenz und Kunstfertigkeit.
Die zwölf Kompositionen, die eigens für “Separate Ways” geschrieben wurden, verbinden ein unwiderstehlich einnehmendes melodisches Feingefühl mit einem grüblerischen, melancholisch-lyrischen Verständnis, das einen über das wahre Alter des in London geborenen, aber in New York lebenden Thompson hinwegtäuscht. In so bezwingenden Nummern wie “Shine So Bright”, “I Should Get Up”, “Sorry To See Me Go”, “No Way To Be” und dem Titelstück des Albums vermittelt Thompson lebhaft eine ganze Reihe von Emotionen, wobei er behende zwischen gefühlvollem Ernst und bissigem Humor hin- und herwechselt. Die gewissensprüfenden Texte des Künstlers werden auf brillante Weise von lockeren, organischen Arrangements getragen, die mit ungewöhnlicher Leichtigkeit die Balance zwischen akustischer Intimität und elektrischer Energie aufrechterhalten.
“An einem bestimmten Punkt seines Lebens wird einem bewußt, daß Gewohnheiten eigentlich nicht nur Gewohnheiten sind, sondern einen selber definieren”, philosophiert Thompson. “Es ist eine grauenvolle Erkenntnis, daß man nun erwachsen ist und all die Marotten, von denen man annahm, daß man sie ablegen würde, immer noch vorhanden sind. Viele dieser Songs verdanke ich der Erfahrung, wie es ist, erwachsen zu werden und gewisse Sachen hinter sich lassen zu wollen, ein paar andere Songs handeln davon, wie man vernünftige Beziehungen zu anderen Menschen aufbaut. Und das eine hat häufig auch mit dem anderen zu tun.”
“Separate Ways” wurde von Teddy Thompson gemeinsam mit dem Multiinstrumentalisten Brad Albetta produziert. Bei der Einspielung des Albums stand dem jungen Protagonisten eine beeindruckende Riege von renommierten Künstlern zur Seite: Sänger(innen) und Songwriter wie Rufus und Martha Wainwright oder Jenni Muldaur, der fantastische Schlagzeuger Matt Chamberlain (bekannt durch seine Aufnahmen/Tourneen mit Fiona Apple, Tori Amos und David Bowie), der berühmte Fairport-Convention-Drummer Dave Mattacks, der Bluegrass- und Jazz-Banjospieler Tony Trischka sowie Garth Hudson, der legendäre Keyboard-Maestro von The Band.
Auch Teddys Eltern, die britischen Folk-Rock-Ikonen Richard und Linda Thompson, wirkten an dieser Einspielung mit. Richard steuerte einige hitzige Gitarrenlinien, die sein Markenzeichen sind, zu fünf Stücken bei, während Linda mit Teddy eine ergreifende Duo-Interpretation des Everly-Brothers-Klassikers “Take A Message To Mary” singt. Der Titel ist ein versteckter Bonustrack des Albums.
“Die Nummer haben wir in letzter Sekunde gemacht, weil ich einen Song mit meiner Mutter singen wollte”, erläutert Teddy. “Ich habe vor, auf jedem Album einen anderen Song der Everly Brothers zu interpretieren, immer im Duett und stets als ‘hidden track’.”
Thompsons Verbundenheit mit den tief im musikalischen Herzen Amerikas verwurzelten Harmonien der Everly Brothers ist bezeichnend für sein schon immer vorhanden gewesenes ausgeprägtes Interesse für Musik, die eher zeitlos als trendy ist – und dies merkt man auch deutlich seinem eigenen Werk an.
“Bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr habe ich keine Musik gehört, die nach 1959 gemacht worden war”, gesteht Thompson überraschend. “Als ich in den späten 80ern und frühen 90ern aufwuchs, merkte ich schnell, daß es eine große Diskrepanz gab zwischen der Musik, die in den Charts war, und der Musik, die ich hören wollte. Ich bekam ziemlich früh mit, daß es eine ziemliche Seltenheit ist, wirklich populär und zugleich wirklich gut zu sein. Und das war eine wertvolle Lektion. Mir war auch vollkommen bewußt, daß mein Dad nie wirklich großen kommerziellen Erfolg hatte. Aber er hat es geschafft, eine Karriere zu machen, weil er immer die ehrliche Musik spielt, an die er glaubt.”
Teddy Thompson wurde 1976 in der Londoner Kommune geboren, in der seine Eltern damals lebten. Musik war für ihn stets etwas völlig Natürliches. Seine erste Band gründete er schon in sehr jungen Jahren. Nachdem er mit 18 Jahren die Schule abgeschlossen hatte, zog er nach Los Angeles, um dort seine eigene musikalische Karriere ernsthaft in Angriff zu nehmen. Er schrieb Songs, nahm Demo-Tapes auf und spielte Solo-Gigs, die ihm den Ruf einbrachten, ein aufstrebendes Talent zu sein.
Irgendwann drang die Kunde von Teddys vielversprechenden Talenten an die Ohren eines A&Rs von Virgin Records. Man bot ihm einen Vertrag an und so konnte Teddy im Jahr 2000 bei dem Label sein Debütalbum herausbringen. Das von Joe Henry produzierte Werk erhielt eine Menge beachtlicher Kritiken und brachte Teddy Thompson eine enthusiastische Fangemeinde ein. 2002 spielte Teddy eine entscheidende Rolle dabei, seine Mutter 17 Jahre nach ihrem Rückzug aus dem Musikbusiness zu dem grandiosen Comeback-Album “Fashionably Late” zu bewegen. Teddy spielte selbst auf dem Album mit und koproduzierte es auch; außerdem leitete er die Band, mit der Linda später auf Tournee ging, um ihr Comeback-Album zu promoten. Darüber hinaus fand er auch noch Zeit, eine in Eigenregie veröffentlichte EP mit dem Titel “Blunderbuss” zu machen und als Mitglied der Band von Rosanne Cash auf Tournee zu gehen.
“Separate Ways” zeigt, daß Thompson in den Jahren, die seit der Aufnahme seines Debütalbums verstrichen sind, Vertrauen in das eigene Können und Erfahrung gewonnen hat. Der Geburtszyklus der neuen Scheibe war, wie er sagt, “ganz anders als der der ersten. Diese Platte ist persönlicher und sehr viel mehr hausgemacht. Die Aufnahmen entstanden an verschiedenen Orten und über einen längeren Zeitraum hinweg. Ich wollte andere Instrumente spielen und mir die Zeit nehmen, ein bißchen herumzuspielen und zu experimentieren. Ich habe die Arbeit an dem Album ohne Plattenfirma begonnen, damit ich alle Zeit der Welt haben konnte, andere Dinge auszuprobieren und herauszufinden, was davon funktionierte.”
Das daraus resultierende Album ist eindeutig das Werk eines vitalen, dynamischen Künstlers, der seine eigenen Stärken erst noch entdeckt und auslotet. Und die Musik von “Separate Ways” läßt keinen Zweifel daran, daß Teddy Thompson keine Eintagsfliege sein wird und daß er Songs schreibt, die für die Ewigkeit gemacht sind.
“Es wirkt jetzt ein bißchen realer, so nach der Art: ‘Das bin ich und das ist, was ich tue’”, sagt Thompson abschließend. “Ich bin wirklich stolz auf diese Platte. Ich habe eine Menge von mir selbst in sie gesteckt, und ich habe den Eindruck, daß ich einen großen Satz gemacht habe, der mich meinem künstlerischen Ziel sehr viel näher gebracht hat.”