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Teddy Thompson – Upfront & Down Low

12.09.2007
“So seltsam das auch scheinen mag, aber Country-Music war die Musik, mit der ich aufgewachsen bin”, erzählt Teddy Thompson, Sprößling der britischen Folk-Rock-Legenden Richard und Linda Thompson. “Es ist die Musik, die mir am meisten am Herzen liegt und die Musik, die mich am stärksten anspricht, und sie hatte schon immer einen großen Einfluß auf mein eigenes Songwriting. In meiner Jugend war ich von Country-Music geradezu besessen, und sie hatte definitiv einen riesigen Einfluß darauf, wie ich Songs schreibe. Mich zogen schon immer Lieder an, die brillante Wortspiele oder raffinierte Umschreibungen besaßen, aber eigentlich einen dunklen, bitteren Ursprung hatten. Als Songwriter zogen mich solche Empfindungen immer an.”
Auf dem von ihm selbst produzierten Album “Upfront & Down Low” bietet Teddy Thompson sehr persönliche Interpretationen von beliebten Country-Klassikern wie George Jones' “She Thinks I Still Care”, Ernest Tubbs “Walking The Floor Over You” und Merle Haggards “(My Friends Are Gonna Be) Strangers”. Genauso beeindruckend sind jedoch auch solch weniger bekannte Songs wie Boudleaux Bryants bedauerndes “Change Of Heart”, das sehnsuchtsvolle “Touching Home”, Dolly Partons bittersüßes “My Blue Tears”, der witzelnde Bob-Luman-Hit “Let’s Think About Living” und die alte Elvis-Presley-Kamelle “I’m Left, You’re Right, She’s Gone”. Das Album enthält mit “Down Low” lediglich einen von Thompson selbst geschriebenen Song, dessen offenherziger Text in diesem Kontext bestens zur Geltung kommt.
 
Die Songs von “Upfront & Down Low” erhielten durchweg kunstvolle, evokative Arrangements, die oftmals vom Country-Milieu der Originale abweichen. Die exzellenten Streicherarrangements von sechs Stücken fertigte der legendäre britische Arrangeur Robert Kirby, der durch seine innovative Arbeit mit Nick Drake bekannt wurde, das Streicherarrangement für “My Blue Tears” schrieb hingegen der oftmalige Thompson-Partner Rufus Wainwright. Unter Thompsons musikalischen Mitstreitern auf “Upfront & Down Low” muß man neben seinem Vater Richard Thompson noch die Gitarristen Marc Ribot, Tony Scherr und Greg Leisz sowie den Keyboarder Glenn Patscha hervorheben.
 
“Die ganze Geschichte begann eigentlich mehr als ein Spaß-Projekt. Daran, daraus ein Album zu machen, dachte ich anfangs gar nicht”, gesteht Teddy Thompson. “Aber dann ging ich immer mehr in diesem Projekt auf und es entwickelte sich zu einer vollkommen anderen Sache. Ich habe wirklich versucht, mich in erster Linie voll und ganz auf die Songs zu konzentrieren. Das Bedürfnis, bei den Aufnahmen eine Country-Instrumentierung zu verwenden oder das Album wie eine ‘richtige’ Country-Scheibe klingen zu lassen, verspürte ich nicht wirklich.”
 
Der 1976 in London geborene Teddy Thompson wuchs mit seinen Eltern in einer Kommune auf. “Bis ich sechzehn Jahre alt war, hörte ich keinerlei Musik, die nach 1959 gemacht worden war”, erinnert sich Thompson an seine Jugend. Bereits als Teenager gründete er seine erste eigene Band. Nachdem er mit achtzehn Jahren die Schule abgeschlossen hatte, zog er nach Los Angeles, um dort eine ernsthafte Musikkarriere zu beginnen. Durch seine selbstverfaßten Songs und seine Auftritte erlangte er bald immerhin soviel Berühmtheit, daß Virgin Records ihm schließlich einen Plattenvertrag anbot. Bevor er im Jahr 2000 sein von Joe Henry produziertes titelloses Debütalbum veröffentlichte, hatte Teddy seinen Vater Richard schon auf Tourneen begleitet und auf dessen Alben “You? Me? Us?” (1996), “Celtschmerz” (1998) und “Mock Tudor” (1999) als Gitarrist und Background-Sänger mitgewirkt. Als seine Mutter Linda nach siebzehn Jahren Abwesenheit (durch eine hysterische Dysphonie hatte sie ihre Stimme beinahe komplett verloren und mußte sich von der Musik zurückziehen) 2002 mit “Fashionably Late” auf die Musikszene zurückkehrte, hatte Teddy bei dem Comeback eine Schlüsselrolle inne: er koproduzierte das Album und unterstützte sie als Gitarrist und Background-Sänger; bei einer anschließenden Tournee leitete er auch noch Lindas Begleitband.

Seinem Debütalbum ließ Teddy Thompson 2004 noch eine in Eigenverlag herausgegebene EP namens “Blunderbuss” mit sechs neuen Stücken folgen. Außerdem begleitete er die Sängerin Rosanne Cash auf einer Tournee und bei der Aufnahme ihres Albums “Rules Of Travel” (2003). Diverse Gastauftritte auf Alben von Rufus Wainwright, den Chieftains, Kate & Anna McGarrigle, Lee Feldman und Shawn Colvin sollten folgen… und sechs Jahre nach dem Debüt bei Virgin Records endlich auch das zweite eigene Album  Teddy Thompsons. “Separate Ways” erschien Anfang 2006 bei dem reaktivierten Crossover-Label Verve Forecast.
 
Die bezwingende Mischung aus Melancholie und Erbauung, die “Upfront & Down Low” charakterisiert, kennzeichnete auch schon Thompsons frühere Arbeiten. “Es war befreiend, ein Album mit Songs aufzunehmen, die ich nicht selber geschrieben hatte”, meint der Künstler. “Das ermöglichte mir, mich ein wenig mehr zu lösen; ich mußte mir nicht über jedes kleine Detail soviele Gedanken machen, wie ich es bei meinem eigenen Material tue. Es fiel mir leichter mich darauf zu konzentrieren, eine gute Performance hinzulegen, und ich brauchte mir nicht den Kopf zu zerbrechen, ob vielleicht der Sound der Snare perfekt war.”
 
Tatsächlich stellt “Upfront & Down Low” für den momentan in New York lebenden Sänger und Gitarristen eine temporäre Abkehr von seinen zuvor aufgenommenen Arbeiten dar. Während die beiden vorangegangenen Alben “Teddy Thompson” und “Separate Ways” sowie die EP “Blunderbuss” Thompsons formidable Songwriting-Qualitäten zeigten, beweist er auf “Upfront & Down Low” seine Fähigkeiten als Interpret fremden Materials. Diese bemerkenswerte Kollektion bietet sehr persönliche Überarbeitungen von Songs, die allesamt ihre Wurzeln in der reichen Country-Music-Tradition der USA haben. Teddy Thompsons Interpretationen zeugen von wahrem Engagement und sehr viel musikalischer Phantasie. Bei sämtlichen Stücken dringt der Sänger zum emotionalen Kern des Originalmaterials vor.