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ECM 2009: Mit Keith Jarrett, Enrico Rava, Joe Lovano uvm.

ECM Chronik: Das Jahr 2009
ECM Chronik: Das Jahr 2009
31.12.2009
ECM bewegt sich unaufhaltsam auf den 40. Geburtstag zu und dokumentiert weiterhin Musik, die abseits des improvisatorischen und kompositorischen Mainstreams liegt. Die Arbeit geht weiter, Manfred Eicher produziert immer noch fast alle Neuerscheinungen des Labels, und wie es dabei zugeht, zeigt – in Ansätzen – der Film “Sounds and Silence (Unterwegs mit Manfred Eicher)” der Schweizer Filmemacher Norbert Wiedmer und Peter Guyer, der beim Filmfest Locarno zum ersten Mal gezeigt wird.

Im Herbst bringt der Suhrkamp Verlag “Holozän”, den 1990 von Eicher und Heinz Bütler gedrehten Film, auf DVD heraus. Der Schweizer Lars Müller Verlag publiziert den zweiten Band mit ECM Cover Art (in deutscher und englischer Sprache) und rund um die Welt finden zahlreiche ECM Festivals und Veranstaltungen statt. Das Mannheimer Enjoy Festival widmet ECM beispielsweise gleich vier Tage mit Jazz- und Klassikonzerten.

Neue CDs gibt es natürlich auch – und neue LPs auch (wieder): Nach 15 Jahren Pause kehrt das Vinyl aus der Verbannung zurück, und Keith JarrettsYesterdays” und Enrico RavasNew York Days” werden auch als Doppel-LP, gepresst auf 180-Gramm-Vinyl, für Audiophile veröffentlicht. Auf Ravas Produktion ist erstmals der Tenorsaxophonist Mark Turner zu hören, dessen schlanker, an Warne Marsh erinnerender Sound wenig später auch auf “Sky & Country” des Trios Fly mit Larry Grenadier und Jeff Ballard auftaucht.

2009 ist ein gutes Jahr für Jazz. Steve Kuhn setzt sich auf dem herzerweiternden “Mostly Coltrane” gemeinsam mit Joe Lovano noch einmal mit der Arbeit seines früheren Chefs auseinander.

Auf “Remembering Weather Report” erinnert Miroslav Vitous, mit Unterstützung des französischen Meisterklarinettisten Michel Portal, an die stark improvisatorisch geprägte Prä-Funk-Phase der Band, als alle Instrumente gleichberechtigt auftraten.

John SurmansBrewster’s Rooster” ist sein “jazzigstes” Album seit vielen Jahren, mit Jack DeJohnette am Schlagzeug und John Abercrombie als zweitem Solisten.

Auch im Grenzgebiet der Genres ist einiges los. Trompeter Jon Hassell präsentiert auf “Last Night The Moon Came Dropping Its Clothes In The Street” (der Titel stammt von dem persischen Dichter Rumi) mit dem Maarifa Street Kollektiv die für ihn typische, raumfordernde Vierte-Welt-Dub-Montage-Musik. 

Evan Parkers Auftragsprojekt für das Huddersfield Festival, “The Moment’s Energy”, wird mit einem Electro-Acoustic Ensemble realisiert, das auf 14 Spieler gewachsen ist und neben dem üblichen Instrumentarium auch Shô und Shakuhachi elektronisch verarbeitet. 

Vorüberziehende Synthesizer-Klangfetzen, im Untergrund operierender Bass, zarte Farbcollagen und plötzliche Eruptionen zeichnen “Kurtágonals” aus, das erste Album des ungarischen Trios mit György Kurtág Jr.

Mit der Schublade “Weltmusik” konnte ECM noch nie viel anfangen, doch ranskulturelle Projekte aller Art gehörten immer zum Programm. Cyminology, das in Berlin eheimatete Quartett der deutsch-iranischen Sängerin Cymin Samawatie, nutzt Klang und Struktur der persischen Sprache als Ausgangsbasis. Cymin vertont eigene Texte und klassische Sufi-Dichtung so gekonnt, dass die sanfte Melodik des Farsi wie ein natürliches Medium für Jazzballaden erscheint.

Das kaleidoskopische “Siwan”-Projekt von Jon Balke und Sängerin Amina Alaoui verknüpft die marokkanische Gharnati-Tradition, Barockmusik und Improvisation zu einer farbig-filigranen Mischung, die genügend Raum für Solisten aller drei Idiome bietet.

Auf “Fasil” entwickelt der deutsch-türkische Gitarrist Marc Sinan mit Pianistin/Komponistin Julia Hülsmann und Librettist Marc Schiffer einen Liedzyklus über das Leben von Aisha, der jüngsten Ehefrau des Propheten Mohammed.

Die New Series startet mit wichtigen Veröffentlichungen in das neue Jahr, allen voran Arvo PärtsIn Principio” mit neuer Musik von monumen­taler Wucht.

Alfred Schnittkes letztes, bisher unveröffentlichtes Werk, die Symphonie Nr. 9, wird von der Dresdner Philharmonie unter Dennis Russell Davies eingespielt.

Zu Heinz Holligers 70. Geburtstag kommt “Romancendres” heraus, das Schumann-inspirierte Kompositionen neben Clara Schumanns Romanzen für Violoncello und Klavier stellt. In Holligers mehrschichtigem Werk “Gesänge der Frühe” für Chor, Orchester und Tape gibt es einen Gastauftritt von Schauspieler Bruno Ganz.

Till Fellners ungeduldig erwartetes zweites Album widmet sich  Bachs Inventionen, Sinfonien und französischen Suiten. … Mehr makellosen Bach gibt es im Herbst – András Schiff wendet sich den sechs Partiten zu.

Streicheroffenbarungen: Thomas Zehetmair spielt Niccolò Paganinis teuflisch schwere Capricci, während Kim Kashkashian die dunklen Farben in Betty Oliveros “Neharót” und Tigran MansuriansThree Arias” zum Leuchten bringt. 

Das Rosamunde Quartett nimmt mit Sänger Christian Gerhaher Othmar Schoecks “Notturno” für Bassbariton und Streicher auf, das an die frühen Werke Bergs und Schönbergs erinnert. 

Demnächst auf ECM: Neue Alben von einigen der bekanntesten ECM-Künstler aus der Abteilung “Jazz & Improvised”. Zum Beispiel “Dresden”, das erste Live-Album der Jan Garbarek Group, das die Band des norwegischen Saxophonisten in bestechender Form zeigt.

Oder Stefano Bollani mit seinem “dänischen” Trio (mit Jesper Bodilsen und Morten Lund) und neuen Ideen für das klassische Klavier-Trio auf “Stone In The Water”.

Anouar Brahem stellt auf “The Astounding Eyes Of Rita”, das dem palästinensischen Dichter Mahmoud Darwish gewidmet ist, ein neues tunesisch/schwedisch/deutsch/libanesisch besetztes Quartett vor.

Auch Tomasz Stanko arbeitet auf “Dark Eyes” mit neuer Quintettbesetzung und dem jungen finnischen Pianisten Alex Tuomarila.

Keith Jarretts “Testament” dokumentiert auf drei CDs zwei Solokonzerte in Paris und London aus dem Jahre 2008.
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