Wenn man sich die Namen der Interpreten und die Titel dieser Alben anschaut, mag man kaum glauben, dass diese bisher noch nicht auf Vinyl veröffentlicht wurden. Denn Keith Jarrett, Jan Garbarek, Charles Lloyd, Anouar Brahem, Nils Petter Molvær und Manu Katché gehören entweder noch heute oder gehörten einst zu den zugkräftigsten Künstlern im Hause ECM. Jetzt werden sechs wegweisende Alben dieser Musiker, die in den späten 1990ern und frühen Nullerjahren entstanden, endlich erstmals auf hochwertigem Vinyl vorgelegt. Für Vinyl- und ECM-Aficionados ein gefundenes Fressen!
Nils Petter Molvær – Khmer (1997)
Massive Beats und pochende Grooves lieferten auf “Khmer” das Fundament für die hitzigen Soli des Trompeters Nils Petter Molvær. Mit diesem Projekt schlug der Norweger 1997 eine bahnbrechende Brücke zwischen den improvisierten Klanglandschaften von ECM und der schönen neuen Welt von Trip-Hop, Drum’n’Bass, Ambient/Illbient, Techno, Industrial, Electronica und Samples. Bis dahin war der Trompeter vor allem für seine Arbeit im Jazzbereich bekannt gewesen, wo er mit dem Großteil der führenden skandinavischen Musiker, aber auch mit Elvin Jones, Gary Peacock und George Russell zusammengespielt hatte. Doch auch bei Rock-Sessions hatte er da schon reichlich Erfahrung gesammelt. Bei “Khmer” brachte Molvær die Freiheit des Jazz und das Klangpotenzial von Pop/Rock zusammen.
Charles Lloyd Quartet – Voice In The Night (1999)
Charles Lloyds sechstes ECM-Album stellte für den aus Memphis stammenden und in Kalifornien lebenden Tenorsaxophonisten sowohl einen Aufbruch als auch eine Heimkehr dar. Denn zum einen präsentierte Lloyd neue Kompositionen, unterzog zum anderen aber auch einige ältere Publikumsfavoriten (darunter das epische “Forest Flower”) einer Revision. Eingespielt wurde “Voice In The Night” mit einer veritablen All-Star-Band (Gitarrist John Abercrombie, Bassist Dave Holland und Schlagzeuger Billy Higgins), die hier zu Höchstform auflief. Das ausgesprochen abwechslungsreiche Programm reicht von Billy Strayhorns “A Flower Is A Lovesome Thing” über “God Give Me Strength” von Elvis Costello und Burt Bacharach bis hin zum rootsigen Medley “Pocket Full of Blues” aus der Feder des Saxophonisten.
Keith Jarrett – The Melody At Night, With You (1999)
“The Melody At Night, With You” ist vielleicht das intimste Album, das Keith Jarrett in seiner gesamten Karriere eingespielt hat. Das Repertoire besteht aus Solo-Piano-Interpretationen von Jazzballaden und Folksongs, die Jarrrett 1998 in seinem Heimstudio aufgenommen und mit unüberhörbarer Zuneigung gespielt hat. Er verzichtete dabei auf die bei Jazzsolisten übliche Hervorhebung der Fingerfertigkeit, “clevere” Phrasen und virtuose Kunstgriffe. Stattdessen legt er sanft die melodische Essenz und den emotionalen Kern dieser großartigen Songs frei.
Anouar Brahem – Le Pas De Chat Noir (2002)
Ein hypnotisierendes, unwiderstehliches Album von Anouar Brahem, dass eine neue Facette dieses außergewöhnlichen tunesischen Musikers offenbarte. Auf “Le pas du chat noir” profilierte sich Brahem als Komponist von luftiger “Kammermusik”, die bestens mit der Spritzigkeit der Improvisationen harmonierte. Die Instrumentierung ist einzigartig: Oud, Klavier, Akkordeon. Die Kompositionen, die Brahem für diese Besetzung schrieb, sind äußerst suggestiv, akribisch und sparsam. Ein Teil der Magie liegt laut Brahem in dem, was nicht gespielt wird, in der wunderbaren Vermischung von Obertönen und in den Klängen, die aus dem Klavier aufsteigen, um sich mit den warmen Tönen der Oud und dem Atem des Akkordeons vermischen.
Jan Garbarek w/Kim Kashkashian, Manu Katché – In Praise Of Dreams (2004)
“In Praise Of Dreams” war 2004 Jan Garbareks erstes neues Soloalbum nach sechsjähriger Pause. Aufgenommen hatte es der große norwegische Saxophonist mit zwei Musikern, mit denen ihn eine lange Historie verband: mit der amerikanisch-armenischen Bratschistin Kim Kashkashian und dem afro-französischen Schlagzeuger Manu Katché. Obwohl diese drei Protagonisten eine Vielzahl unterschiedlicher Idiome abdecken, klingt die Musik doch wie aus einem Guss. Wenn Träume so etwas wie innere Filme sind, dann trägt dieses Album den passenden Titel – denn die hier entworfenen stimmungsvollen Klangbilder sind entschieden “filmischer” Natur.
Manu Katché – Neighbourhood (2005)
Für sein erstes ECM-Album als Leader stellte Produzent Manfred Eicher dem Schlagzeuger Manu Katché 2005 eine wirklich bemerkenswerte Band mit dem norwegischen Saxophonisten Jan Garbarek und dem polnischen Trompeter Tomasz Stanko zur Seite. Vervollständigt wurde das Ensemble durch den Pianisten Marcin Wasilewski und den Bassisten Slawomir Kurkiewicz, zwei exzellente junge Musiker aus Stankos Band. Wenngleich die Musiker nie zuvor in dieser Konstellation zusammengespielt hatten, interpretieren sie Katchés Musik hier mit einer solch traumwandlerischen Sicherheit, dass man meinen könnte, sie bildeten schon seit Jahren ein festes Ensemble.