“Ida Lupino” ist ein ungemein frisch klingendes und kreatives Album, dem man sofort anmerkt, wie aufmerksam die an dieser Aufnahme beteiligten Musiker sich zuhören und wie fokussiert sie bei ihren Interaktionen zu Werke gehen. Im Mittelpunkt steht die außergewöhnliche improvisatorische Komplizenschaft zwischen zwei italienischen Musikern: dem Pianisten Giovanni Guidi und dem Posaunisten Gianluca Petrella. Ihr musikalisches Verständnis, das schon unüberhörbar war, als sie vor sechs Jahren gemeinsam in Enrico Ravas Band (ECM-Album “Tribe”) spielten, hat sich seitdem noch vertieft. Immer wieder sucht dieses Duo die Begegnung mit anderen Improvisatoren. “Unsere Duo-Arbeit wird eigentlich über unsere Kollaborationen mit anderen Künstlern definiert”, sagt Guidi. Das neue Album baut sowohl auf bereits etablierte musikalische Beziehungen auf als auch auf die Stimulanz durch neue Begegnungen. Diesmal stoßen zu ihnen, wie Petrella es ausdrückt, “zwei Meister des zeitgenössischen Jazz, die wirklich auf unserer Wellenlänge liegen.”.
Denn für die Aufnahme von “Ida Lupino” brachte Produzent
Manfred Eicher Guidi und Petrella mit dem US-amerikanischen Schlagzeuger
Gerald Cleaver und dem französischen Klarinettisten
Louis Sclavis zusammen. Mit Cleaver hatten die beiden Italiener bereits 2011 auf Guidis Soloalbum “
We Don’t Live Here Anymore” gespielt, aber mit
Sclavis hatte keiner von ihnen vor dieser Aufnahmesession je zusammengearbeitet. “Eine solche musikalische Beziehung ist sehr kostbar”, meint Sclavis. “Sie ist einerseits sehr fragil, aber zugleich gibt es da auch eine starke Verbindung zwischen den Musikern. Wir sind vier Leute, die eine Musik spielen. Und wir wissen nicht, wo es hingehen soll, haben aber die Kontrolle über die Reise.”
“Auf diesem Album streben wie viele verschiedene Dinge an”, sagt Giovanni Guidi. “Improvisierte Musik muss sehr demokratisch sein. Gleichzeitig sollte sie auch ein Moment der Überraschung beinhalten. Deshalb sollte man gerade, wenn man eine starke konzeptionelle Idee hat, diese nicht der Musik aufzwingen…” Der Schwerpunkt liegt bei lyrischen Ensemble-Improvisationen und Stücken der Musiker, die entweder ad hoc kreiert wurden oder aber schon vorlagen. Doch es gibt auch zwei Ausnahmen: Die eine ist “Per i morti di
Reggio Emilia (To the Dead of Reggio Emilia)”, ein Protestlied des aus Turin stammenden Folksängers und Songwriters
Fausto Amodei. Die andere ist das Titelstück “Ida Lupino”, das einerseits eine Verbeugung vor der Komponistin
Carla Bley ist, die dieses Jahr ihren 80. Geburtstag feierte, und dann auch noch eine Hommage an den im Januar 2016 verstorbenen Pianisten
Paul Bley, der diese Nummer bekannt machte und unzählige improvisierende Musiker in aller Welt beeinflusst hatte – nicht zuletzt auch Giovanni Guidi.