Im Februar präsentierte Steve Tibbetts als erster ECM-Künstler seine ECM-Streaming-Playlist “Artist’s Choice”. Da mag mancher Fan schon geahnt haben, dass der einzigartige Gitarrist, der dem Label seit 1981 verbunden ist, dort schon bald ein eigenes neues Album herausbringen würde. Im Mai wird es nun endlich soweit sein: “Life Of…” ist Tibbetts' neuntes Album für ECM und eine Art Fortsetzung seiner 2010 erschienenen ECM-Aufnahme “Natural Causes”, über die die Jazz Times damals urteilte: “Musik, in der man sich verlieren kann.” Im Mittelpunkt steht erneut der Klangreichtum von Tibbetts' zwölfsaitiger Martin-Akustikgitarre, sein gamelanartiges Klavierspiel und die kunstvoll eingesetzten Samples von Field Recordings balinesischer Gongs; abgerundet wird das Klangbild vom feinsinnigen Perkussionsspiel seines langjährigen musikalischen Partners Marc Anderson und den fast unterschwelligen Borduntönen von Michelle Kinneys Cello. Obwohl Tibbetts im Mittleren Westen der USA verwurzelt ist, hat er mehrere Expeditionen nach Südostasien unternommen, einschließlich Bali und Nepal; die Klänge und Stimmungen dieser Region sind in seine musikalische DNA genauso eingewoben wie die Inspiration, die er von Künstlern wie dem Gitarristen Bill Connors oder dem Sarangi-Meister Sultan Khan bezog. Den Großteil der dreizehn sehr persönlichen Stücke von “Life Of....” hat Steve Tibbetts sowohl lebenden als auch schon verstorbenen Freunden und Familienmitgliedern gewidmet. Als Instant-Grat-Track gibt es für Vorbesteller den Album-Opener “Bloodwork”.
Der norwegisch-dänische Schriftsteller Lars Saabye Christensen ist einer der bekanntesten und produktivsten zeitgenössischen Autoren Skandinaviens. Von seinen Reisen rund um den Globus schickt er seinem Freund Ketil Bjørnstad seit vielen Jahren “Hotelgedichte”, die der Pianist nun für “A Suite Of Poems” vertont hat. In seinen literarischen Postkarten erkundet Saabye Christensen eine ganze Reihe von Stimmungen.
“Ich fühle mich der einsamen, existentiellen Perspektive dieser Gedichte, die in verschiedenen Hotelzimmern entstanden sind, sehr verbunden”, sagt Bjørnstad, der als Musiker natürlich auch viel unterwegs ist. Bei der Aufnahme arbeitete Ketil eng mit der Sängerin und Schauspielerin Anneli Drecker zusammen, der ehemaligen Leadsängerin der Popgruppe Bel Canto. Die Vertonung von Gedichten ist für den norwegischen Pianisten und Komponisten natürlich kein Novum. Der Liederzyklus “A Suite Of Poems” reiht sich in Bjørnstads Diskographie nahtlos neben Projekten wie “A Passion For John Donne”, “Sunrise” und “The Light” ein. Gemeinsam mit Anneli Drecker hatte Ketil 2002 für das Album “The Nest” auch schon Werke des amerikanischen Dichters Hart Crane in Musik umgesetzt. Als sofortigen Track gibt es für Vorbesteller des Albums den Song " Mayflower, New York".
Die dritte ECM-Veröffentlichung des Gitarristen Marc Sinan ist ein stimmungsvolles Duo-Album mit dem Klarinettisten Oğuz Büyükberber, das subtil ein weites musikalisches Feld absteckt. Seit sie sich vor rund einem Jahrzehnt in Istanbul kennenlernten, haben sie in einer Reihe von unterschiedlichen Kontexten miteinander gearbeitet. So war Büyükberber etwa auf dem 2013 erschienenem zweiten ECM-Album des Gitarristen,
“Hasretim: Journey To Anatolia”, zu hören und wirkte 2015 bei der Aufführung von Sinans Musiktheaterstück “Komitas” am Maxim-Gorki-Theater in Berlin mit. Dabei haben sich die beiden Musiker von entgegengesetzten Polen aufeinander zubewegt: Marc wurde als klassischer Gitarrist in der westeuropäischen Tradition ausgebildet, hat sich aber zunehmend für Improvisation und türkisches Material interessiert, während Oğuz mit türkischer Musik und Jazz begann, bevor er sich mit freier Improvisation und zeitgenössischen Kompositionen beschäftigte. Für die Aufnahme von “White” steuerten beide Musiker neue Kompositionen bei: Sinans fünfteilige Komposition “Upon Nothingness” ist eine musikalische Antwort auf Aufnahmen von Liedern armenischer Kriegsgefangener, die während des Ersten Weltkriegs nach Deutschland deportiert worden waren. Die historischen Originalaufnahmen dieser Lieder verknüpfte Sinan eng mit seinen eigenen Stücken, bei denen auch großzügig elektronische Mittel eingesetzt wurden, um die Linien zwischen dem Realen und dem Surrealen zu verwischen. Mit “There, I-V” präsentiert Oğuz Büyükberber ebenfalls eine Reihe von miteinander verknüpften Stücken, in denen die beiden Musiker zu vorgegebenen Tonhöhen improvisieren. Als sofortigen Track gibt es für Vorbesteller des Albums den Song “There I”.