Arve Henriksen und Harmen Fraanje gehören schon seit geraumer Zeit zu den führenden Köpfen der zeitgenössischen europäischen Improvisationsszene. Und auf “Touch Of Time”, ihrem ersten gemeinsamen Album, zeigen sie exemplarisch, dass sie ein unglaublich gutes Gespür für das Timbre, die Phrasierung und den melodischen Ansatz des jeweils anderen haben. Das beeindruckende musikalische Verständnis, das zwischen dem norwegischen Trompeter und dem niederländischen Pianisten herrscht, ist bei ihren unaufgeregten lyrischen Erkundungen durchweg spürbar.
Elegant verbinden sich ihre Instrumente sowohl in frei improvisierten Formen als auch in sorgfältig ausgearbeiteten Themen, wobei sie die Phrasen und Ideen des jeweils anderen aufgreifen und vollenden.
Das erste Mal begegnet waren sich Henriksen und Fraanje 2019 auf dem Transition Festival in Utrecht bei den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum von ECM Records. In diesem Rahmen gaben sie ein fesselndes, improvisiertes Duo-Konzert, das die Initialzündung für ihre weitere Zusammenarbeit war. Seither entwickelte sich zwischen ihnen eine fruchtbare musikalische Partnerschaft, in der die beiden Musiker es verstehen, die Ideen ihres Gegenübers nahtlos und aus dem Stegreif heraus fortzuspinnnen. “Mit Arve war es von Anfang an ein Einfaches, in der Musik einen gemeinsamen Nenner zu finden, dem Ideenfluss zu folgen, die Richtung zu erspüren, die die Melodie nehmen würde, und die neu entstehenden Harmonien vorauszuahnen. Schon nach diesem ersten Konzert war uns sofort klar, dass wir weiterhin zusammen auftreten müssten – und so wurde dieses neues Duo geboren.”
Während das Duo bei seinem ersten Aufeinandertreffen noch vollkommen frei improvisierte, mischt es unter das Programm von “Touch Of Time” nun auch vorab gefertigte Melodien und Sequenzen, die ihnen als erweiterte Mittel für ihr einfühlsames Zusammenspiel dienen. Bei “Redream”, “What All This Is” und dem Titelstück – allesamt von Harmen geschrieben – griffen sie auf solche Rahmenkonzepte zurück. Diese Kompositionen weisen auf den kontemplativen, konzentrierten Charakter des Albums hin und offenbaren sowohl choralartige Kadenzen als auch im Bewusstseinsstrom entstandene melodische Entwicklungen.
“Für uns ist ‘Touch Of Time’ genau der Schnittpunkt, an dem wir uns in der Musik treffen”, merken Arve Henriksen und Harmen Fraanje an. “Obwohl es in diesen Stücken feste Strukturen gibt, formen wir das Material sehr frei. Es ist also eher ein ganzheitlicher Prozess und nicht ein statischer Ansatz, der aus vorgefassten Konzepten heraus entsteht.” Im Auditorio Stelio Molo in Lugano, wo das Album im Januar 2023 aufgenommen wurde, gab das Duo der Musik gemeinsam mit dem Produzenten Manfred Eicher schließlich den letzten Schliff.
Harmen Fraanje, 1976 im niederländischen Roosendaal geboren, trat bei ECM bis dato schon auf zwei Alben des Bassisten Mats Eilertsen in Erscheinung: 2016 auf “Rubicon” und 2019 zusammen mit dem Schlagzeuger Thomas Strønen auf der Trio-Einspielung “And Then Comes The Night”.
Darüber hinaus ist der Pianist Teil zweier ungewöhnlich besetzter Trios: das eine bildete er mit dem Cellisten Ernst Reijseger und dem aus dem Senegal stammenden Sänger, Mbira- und Xalam-Spieler Mola Sylla, das andere mit der finnischen Sängerin und Harfenistin Aino Peltomaa und dem Gambenspieler Mikko Perkola.
Arve Henriksen wurde 1968 in Stranda, Norwegen, geboren und begann 1989 auf internationalen Bühnen zu spielen. Die erste Aufnahme für ECM, auf der er auf sich aufmerksam machen konnte, war 1998 “No Birch” vom Christian Wallumrød Trio. Seitdem war Henriksen als Sideman oder Leader regelmäßig an Einspielungen für das Label beteiligt. Zu hören ist er u.a. auf Alben von Tigran Hamsyan, Jon Balke, Trygve Seim, Arild Andersen, Sinikka Langeland und Frode Hailti. Sein erstes eigenes ECM-Album “Cartography” (2010) wurde in DownBeat als “ätherische Ambient-Musik mit malerischer Note und feiner melodischer Empfindsamkeit” beschrieben. Zuletzt war Henriksen an der Seite von Jakob Bro und Jorge Rossy auf “Uma Elmo” (2022) zu hören.