Beinahe ein halbes Jahrhundert Anlauf und eine Pandemie brauchte der Gitarrist John Scofield, um nach mehr als vierzig Alben unter seinem Namen endlich das zu tun, was viele seiner prominenten Zeitgenossen und Instrumentalkollegen (etwa Pat Metheny oder John Abercrombie) schon in wesentlich früheren Stadien ihrer Karriere getan hatten: sein erstes reines Soloalbum aufzunehmen. Für alle Fans des Gitarristen hat sich das lange Warten gelohnt. Denn Scofield gelingt es, auf dem schlicht “John Scofield” betitelten Album aus seinem enormen, über Jahrzehnte gewachsenen Erfahrungsschatz zu schöpfen und auf sehr intime Weise einen Pfad durch die Stile und Idiome zu schlagen, die er bis heute durchlaufen hat. Dabei tritt er raffiniert mit sich selbst in einen Dialog, indem er seine Soloeinlassungen zur eigenen gediegenen Akkord- und Rhythmusbegleitung spielt, die er live über eine Loop-Maschine abruft.
“Die 13 Albumsongs sind zum Teil neue Versionen auserwählter Stücke aus seinem Back-Katalog sowie Interpretationen verschiedener Jazz-, Rock’n’Roll- und Country-Standards”, resümiert Stefan Meißner im Online-Magazin Sounds & Books. “So treffen ‘Coral’ von Keith Jarrett auf Buddy Hollys ‘Not Fade Away’ und Scofields ‘Elder Dance’ auf eine Version von Hank Williams’ ‘You Win Again’. Eine nur auf den ersten Blick wilde Mischung, denn Scofield hat die Tracks ganz bewusst ausgesucht und erzählt im Booklet unterhaltsam von der Bedeutung, die diese Songs für ihn haben. Diese Erzählungen verbinden die einzelnen Stücke sinnvoll miteinander und erklären so auch die persönliche Entwicklung Scofields zu einem der stilprägendsten Gitarristen. Befürchtungen, Scofield könne ohne Begleitung seinen Schmiss verlieren, sind unbegründet. Denn egal, ob er aufs Tempo drückt, swingt oder schmachtet: John Scofield ist in jeder Sekunde überraschend, sein Ton einzigartig und sein Spiel beseelt. Das macht ‘John Scofield’ zu einem enorm kurzweiligen und spannenden Album. Und zu einem, das seine Discography um eine neue Facette bereichert.”
“Für sein Solo-Album hat sich John Scofield einige bekannte Jazz-Standards aus dem Great American Songbook vorgenommen”, meint Sarah Seidel bei NDR Kultur, “dazu kommen Stücke von Pianist Keith Jarrett, Country-Ikone Hank Williams und Rock’n Roller Buddy Holly. Fünf von 13 Songs allerdings stammen aus seiner eigenen Feder. Allein mit sich muss er als Musiker keine Kompromisse eingehen. Und klingt solo so entspannt wie nie.”