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Vier Individualisten mit Sinn für kollektives Spiel und einen “globalen Sound”

Durch den Schlagzeuger James Maddren erhält die Musik des Saxophonisten Matthieu Bordenave auf seinem zweiten ECM-Album “The Blue Land” einen zusätzlichen Energieschub.
Florian Weber, Matthieu Bordenave, Patrice Moret und James Maddren
Florian Weber, Matthieu Bordenave, Patrice Moret und James MaddrenAdrian Schaeutz / ECM Records
25.01.2024
Sein hochgelobtes ECM-Debütalbum “La Traversée” spielte der seit vielen Jahren in München ansässige französische Saxophonist Matthieu Bordenave 2019 im Trio mit seinem Landsmann Patrice Moret am Kontrabass und dem deutschen Pianisten Florian Weber ein.
Für das nun vorgelegte Nachfolgealbum “The Blue Land” holte er als vierten Mann den britischen Schlagzeuger James Maddren hinzu, dessen unablässiger Puls dem ohnehin schon eigenwilligen Ensembleklang noch einen faszinierenden Kontrapunkt verleiht. Das britische Magazin Jazzwise beschrieb Bordenaves erste ECM-Aufnahme als einen “anmutigen Klangfluss”. Weiter hieß es dort: “So ruhig und meditativ diese Musik auch sein mag, so wartet sie doch auch mit Ausbrüchen, oder vielmehr einem Flackern von Energie auf, sowie mit wagemutigen, fokussierten, fließenden Bewegungen, die den ganzen atmosphärischen Kontrapunkt verstärken.” Diese flackernde Energie wird auf “The Blue Land” noch verstärkt und schafft so die optimalen Voraussetzungen für das verwinkelte Zusammenspiel, bei dem alle Mitglieder des Quartetts mit reaktionsschnellem Kontrapunktspiel und melodischem Einfallsreichtum aufwarten.
Beim Komponieren der Musik für dieses Album hatte Bordenave eine ganz bestimmte “Vorstellung von einem Bandsound” im Kopf, “von einem globalen Sound, bei dem alle zusammen die Musik entwickeln und auf diese Weise einen sofort erkennbaren Klangcharakter erschaffen”. Dieser einzigartige Charakter und die kollektive Herangehensweise offenbaren sich schon in den eindringlichen, suchend vortastenden Klängen der Eröffnungsnummer “La Porte Entrouverte”, bei der die Musiker geduldig nacheinander in das Geschehen eingreifen. Die strukturellen Qualitäten der Kommunikation innerhalb des Ensembles werden im direkt danach folgenden Titelstück wieder aufgegriffen und weiterentwickelt.
Dann unternimmt das Quartett einen Ausflug in die späte Coltrane-Ära, indem es dessen Komposition “Compassion” (von dem 1966 erschienenen Album “Meditations”) auf zutiefst konzentrierte Weise interpretiert, wobei es das nuancierte musikalische Spektrum zwischen vorgefassten Ideen und dem vollkommen Freien durchstreift. Das restliche Material – ausschließlich Eigenkompositionen von Bordenave – folgt einem ähnlichen Muster und überbrückt die Kluft zwischen der Dynamik von kammermusikalischem Jazz und Post-Swing-Entwürfen. Sowohl Weber als auch Bordenave – der hier Tenor- und Sopransaxophon spielt – verfügen über einen unverkennbar eigenen instrumentalen Ansatz. Ihre Stimmen verschmelzen dennoch nahtlos miteinander und spinnen unvorhersehbare Linien über den hochgradig interaktiven Austausch zwischen Maddren und Moret.
Andere Stücke des Albums wurden von den Naturerfahrungen inspiriert, die der in den Pyrenäen aufgewachsene Saxophonist bei Bergwanderungen machte. Insbesondere “Three Peaks” entstand aus der Erinnerung an die vollkommene Stille, die er auf drei von ihm bestiegenen Berggipfeln erlebte. In “Timbre” wiederum werden die verschiedenen Register des Sopransaxophons erkundet, wobei sich Matthieu und seine Mitspieler hellwach zeigen und eine modale Struktur bis an den Rand der Avantgarde ausloten.
Matthieu Bordenave und Florian Weber spielen inzwischen seit einem knappen Jahrzehnt miteinander. Ihre erste Kollaboration kam im Rahmen eines Projekts zustande, bei dem es um die Musik von Édith Piaf ging.
“The Blue Land” ist dennoch erst ihre zweite gemeinsame Studioaufnahme. Das gilt auch für den Bassisten Patrice Moret, der erst kurz vor der Einspielung von “La Traversée” zu dem Duo gestoßen war. Schlagzeuger James Maddren schließlich war zuvor schon als Mitglied des Trios von Kit Downes auf dem 2022 erschienenen ECM-Album “Vermillion” zu hören.
Bereits am 25. Januar wird dieses außergewöhnliche Quartett die Musik von “The Blue Land” im Landshuter Salzstadel live vorstellen. Weitere Auftritte folgen am 23. Februar in der Halle 424 in Hamburg, am 25. Februar im Stadtgarten in Köln und am 7. April im neuen Bergson Kunstkraftwerk in München.
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