Mit Neuveröffentlichungen von Benjamin Lackner, Mathias Eick und Julia Hülsmann startete ECM sehr vielversprechend ins Jahr 2025. Jetzt erscheinen diese Alben zusammen mit Jakob Bros “Taking Turns” auch auf Vinyl.
Matthias Eick "Lullaby" / Jakob Bro "Taking Turns" / Benjamin Lackner "Spindrift" / Julia Hülsmann "Under The Surface"
11.03.2025
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Sein ECM-Debüt “Last Decade” mit dem Trompeter Mathias Eick, dem Bassisten Jérôme Regard und dem Schlagzeuger Manu Katché markierte für den Pianisten Benjamin Lackner vor drei Jahren eine musikalische Zäsur. Zum einen verabschiedete er sich vom Trio-Format seiner sechs vorangegangenen Alben, zum anderen beschränkte er sich erstmals auf das akustische Klavier. Noch eine Schritt weiter ist er auf dem neuen Album “Spindrift” gegangen, für das er ein ebenso exzellent besetztes Quintett ins Studio holte. “Man kann Benjamin Lackners zweites Album für ECM auf ganz unterschiedliche Weise hören”, schrieb Wolf Kampmann in Jazzthing. “Mit Saxofonist Mark Turner, Trompeter Mathias Eick, Bassistin Linda May Han Oh und Drummer Matthieu Chazarenc ist dem deutsch-amerikanischen Pianisten eine Suite von erhabener Schönheit gelungen. Fünf Musiker, die einander intensiv zuhören, um gemeinsame Wege, Ruhepunkte und Klimaxe herauszufinden. Diese Musik legt sich wie ein wärmender Mantel um die Erwartung des Ohres. Lackners Melodien sind auf Anhieb einnehmend, das zugewandte Miteinander der fünf Beteiligten ebenso magisch wie magnetisch. Doch je tiefer man sich auf die Stücke einlässt, desto mehr macht sich zumindest in einigen Tracks auch ein unterschwelliges Unbehagen bemerkbar. Benjamin Lackner ist ein feinsinniger Beobachter gesellschaftlicher Veränderungen, die ihm nicht immer nur gefallen müssen. ‘Spindrift”‘ beschreibt bei aller Schönheit keinen eskapistischen Ausnahmezustand, sondern erweist sich vielmehr als subtiler Kommentar zu der Zeit, in der die Musik entstand."
Im Gegensatz zu Benjamin Lackner geht der norwegische Trompeter Mathias Eick auf seinem neuen Album “Lullaby” den umgekehrten Weg und präsentiert sich erstmals seit seinem ECM-Debüt “The Door” von 2008 wieder im klassischen Quartett Format. "Lullabys sind Wiegenlieder. Eigentlich sollen sie bewirken, dass Kinder sich zur Ruhe legen und einschlafen", bemerkte Werner Stiefele in Rondo, wo er dem Album 4,5 von Sterne gab. “Dies könnte auch mit den acht Lullabys von Mathias Eick gelingen. Wer indessen Musik mag und zuhören kann, den kann ihre bedächtige Grundstimmung zum Träumen oder Nachdenken, zum Zurücklehnen, Entspannen und Genießen verführen. So duftig und zart, wie diese Stücke zunächst wirken, erzählen sie von tiefem gegenseitigem Verständnis, Gemeinsamkeiten und der Individualität innerhalb des Quartetts. Dabei bilden der sanft wehende, atemreiche Trompetenklang von Eick und die kräftigeren, dunklen Impulse des Kontrabassisten Ole Morten Vågan einen spannungsreichen Rahmen, innerhalb dessen der Pianist Kristjan Randalu und der Schlagzeuger Hans Hulbækmo mit viel Fantasie und Feingefühl agieren. In Eicks nebelverhangenen Melodien schwingt das Feeling der skandinavischen Volksmusik mit, wobei immer wieder ein heller Funke wie ein Sonnenstrahl aus dem weißen Himmel blitzt. Dass er zweimal die Trompete beiseitelegt und lange, folkloristisch anmutende Töne singt, wirkt wie eine Referenz an eine weite, von Bergen und Ebenen geprägte Landschaft.”
Julia Hülsmanns “Under The Surface”, auf dem die Pianistin ihr neues Quartett mit der norwegischen Trompeterin Hildegunn Øiseth vorstellt, wurde von der Redaktion des NDR im Januar zum Jazzalbum des Monats gekürt. “Unter die Oberfläche möchte die Pianistin und Komponistin Julia Hülsmann mit ihrer Musik – bewusst gegen den Zeitgeist”, schreibt dort Mauretta Heinzelmann. “Das tut sie auf ihrem neuen Album mit großer Leichtigkeit, im organischen Fluss. ’Under the Surface’ ist auch nach vielen preisgekrönten Alben ein Meilenstein, vielleicht gerade durch die Entschlossenheit, mit der die Band auf ihrer Spielweise besteht: authentisch, sich spektakulärem Auftrumpfen verweigernd, elegant zu sich selber stehend, sich gegenseitig in jedem Moment unterstützend und respektierend. Hildegunn Øiseth spielt auch Ziegenhorn, ein Instrument, das norwegische Hirten zur Kommunikation mit ihren Tieren benutzen. Die Norwegerin ist weltweit einzigartig auf diesem Instrument, das sie virtuos nicht nur als Klangfarbe, sondern als ausgefeiltes Soloinstrument einsetzt – mit einer archaisch-melancholischen Note, die das Album noch zeitloser werden lässt.”
Der dänische Gitarrist Jakob Bro überraschte im vergangenen November mit der Veröffentlichung seines spannenden Albums “Taking Turns”, das er bereits vor zehn Jahren mit einer hochinteressanten All-Star-Besetzung in New York aufgenommen hatte und das seitdem in seinem Privatarchiv schlummerte. “Dreamteam-Bands nicht per se ein Qualitätsgarant”, meinte Stefan Meißner im Online-Magazin Sounds & Books. “Platzhirscherei, Wettbewerbsgedanken oder fehlende Abstimmungen können solche Projekt schnell auch an die Wand fahren. Nicht so hier. Das liegt zum einen an den in ihrer Klarheit und Emotionalität brillanten Kompositionen von Jakob Bro und zum anderen am kooperativen Ansatz der Band zur Umsetzung dieser Stücke. Anstatt der üblichen Praxis, dass Musiker sich gegenseitig übertrumpfen, indem sie laut, schnell oder technisch beeindruckend spielen, zeichnet sich diese Gruppe durch eine auffällige Zurückhaltung aus. Die Musiker begnügen sich damit, so wenig wie nötig zu spielen, wobei sie sich auf das Gefühl und die Atmosphäre konzentrieren, statt auf technische Brillanz. Und dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – treten sie auch als Einzelspieler in Erscheinung. Frisells unverkennbarer Gitarrenton prägt dieses Album ebenso wie Morans Pianopinselstriche, Konitz’ klare Melodien, Morgans unterstützende Tieftöne oder Cyrills vogelfreie Schlagzeugakzentuierungen.”