Zweiter Geniestreich eines ambitionierten Youngsters: Eine ebenso stimmungsvolle wie spirituelle Suite
Auf “The 7th Hand”, seinem zweiten Album für Blue Note, strotzt der junge Altsaxophonist und Komponist Immanuel Wilkins nur so vor Selbstvertrauen und überbordender Fantasie.
Immanuel Wilkins - The 7th Hand (Blue Note Records)
Der britische Jazzkritiker Charles Waring sieht Immanuel Wilkins bereits auf dem bestem Weg dahin, ins Pantheon der großen Altsaxophonisten des Jazz einzuziehen und dort einen Platz an der Seite von Charlie Parker, Cannonball Adderley, Eric Dolphy und Jackie McLean einzunehmen. Eine kühne Prognose! Denn Wilkins ist gerade einmal 24 Jahre alt und hat jetzt mit “The 7th Hand” erst sein zweites Soloalbum vorgelegt. Für Waring, der dem Album in seiner “Mojo”-Rezension die Höchstwertung gab, verkörpert “The 7th Hand” auf jeden Fall “zeitgenössischen Jazz in seiner aufregendsten Form”. Schon mit “Omega”, seinem vor nicht ganz zwei Jahren erschienenen Debütalbum für Blue Note, hatte der junge Altsaxophonist und Komponist aus Philadelphia die Messlatte für sich selbst sehr hoch gelegt. “Omega” wurde seinerzeit von der New York Times zum Jazzalbum des Jahres 2020 gekürt und in der JazzTimes als “das wichtigste Jazzdebüt seit Jahren” bezeichnet.
Nun hat der Altsaxophonist die eigene Messlatte mit “The 7th Hand” noch ein gutes Stückchen weiter nach oben verschoben. Denn vom ersten bis zum letzten Moment strahlt Immanuel Wilkins hier eine für sein Alter wirklich außergewöhnliche Selbstsicherheit aus, erweist sich als ebenso fantasievoller Solist wie Komponist und offenbart ein intuitives Verständnis für die spirituellen Aspekte der schwarzen Musik. “The 7th Hand” ist eine aus sieben Sätzen bestehende, rund einstündige Suite, in der es um biblische Symbolik und die Verbindungen zwischen dem Dasein und dem Nichts geht. Das liest sich “verkopfter” als es im Ergebnis klingt. Wie schon bei “Omega” stammen alle Kompositionen dieser Suite aus der Feder von Wilkins, der sie auch wieder mit den Musikern seines hervorragend eingespielten Quartetts aufgenommen hat: dem Pianisten Micah Thomas, dem Bassisten Daryl Johns und dem Schlagzeuger Kweku Sumbry. Zu ihnen gesellen sich diesmal allerdings noch die Flötistin Elena Pinderhughes und in dem Stück “Don’t Break” das von westafrikanischen Rhythmen inspirierte Percussion-Ensemble Farafina Kan. In dem lernte Kweku Sumbry einst als Hosenmatz unter Anleitung seines Onkels Mahiri Fadjimba Keita Djembé trommeln und tanzen.
Die ungemein spannende und stimmungsvolle Suite ist so raffiniert aufgebaut, dass sich die Musiker des Quartetts in jedem Stück graduell mehr Freiheiten herausnehmen können, bis sie in der 26-minütigen Schlussnummer “Lift” endlich die letzten Fessseln abstreifen und vollkommen frei improvisieren. Einen hervorragenden Eindruck von der Musik des Albums vermittelt ein wunderbarer Videoclip mit den ersten beiden Singles des Albums,"Emanation" und “Don’t Break”, bei dem die bekannte Multimedia-Künstlerin und Filmemacherin Cauleen Smith Regie geführt hat.