Ist es ein Anflug von Größenwahn oder einfach nur ein genialer Gimmick? Für das nicht einmal anderthalbminütige Intro seiner A-cappella-Version des Hollywood-Klassikers “Moon River” hat Jacob Collier einen 144-köpfigen “Mond-Chor” der Superlative zusammengestellt. Für das Stück, das 1961 durch den Audrey-Hepburn-Streifen “Frühstück bei Tiffany” weltbekannt wurde, nahm er außerdem mit seiner eigenen Stimme noch 5.000 Gesangstonspuren zusätzlich auf. Im Video-Clip zum Song tauchen aus den Weiten des Universums die Gesichter von u.a. Herbie Hancock, Quincy Jones, Jamie Cullum, Nikki Yanofsky, Hans Zimmer, Mark Kibble, Chris Martin, Tori Kelly, David Crosby, Laura Mvula, Cory Henry und Michael League auf, nur um kurz das Wörtchen “Moon” zu singen und dann zu einem funkelnden Punkt in der Ferne zusammenzuschrumpfen. “Maestro Jacob Collier macht aus ‘Moon River’ eine fünftausendteilige Vokalsymphonie”, schrieb das US-Magazin Flood über diese “galaktische Musikcollage”, die pünktlich zum 50. Jahrestag der ersten Mondlandung erschien. Die betörende Nummer ist nur eines der Highlights von Jacob Colliers neuem Werk “Djesse Vol. 2”, das jetzt als eAlbum veröffentlicht wurde.
Das Album ist der zweite Teil von Colliers ambitioniertem Projekt “Djesse”, das sich über insgesamt vier Alben erstrecken wird. Als Stargäste präsentiert er diesmal arrivierte Größen wie den amerikanischen Folkmusiker Sam Amidon, die britische Sängerin und Songschreiberin Lianne La Havas und ihre amerikanische Kollegin Becca Stevens, den Mandolinen-Virtuosen Chris Thile (Nickel Creek & Punch Brothers), die malische Sängerin Oumou Sangaré und Frank Zappas legendären Stunt-Gitarristen Steve Vai. Ins Scheinwerferlicht treten an seiner Seite aber auch junge Talente aus Portugal (die Multiinstrumentalistin und Sängerin MARO), Großbritannien (YouTube-Star Dodie Clark) und den USA (Singer/Songwriter Joanna Noëlle “JoJo” Levesque). Sämtliche Gäste waren natürlich auch Mitglieder des eingangs erwähnten “Mond-Chors”.
Das stilistische Spektrum ist erneut atemberaubend weit gespannt: es reicht von brasilianischer Bossa Nova (“A lua” feat. MARO) und malischem Wassoulou-Pop (“Nebaluyo” feat. Oumou Sangaré) über ein Stück, das auf kongeniale Weise Einflüsse von irischem Folk, Bluegrass und Country mit afrikanischen Rhythmen kombiniert (“Bakumbe” feat. Sam Amidon) bis zu neo-souligen R’n'B (“Feel” feat. Lianne La Havas). Die ausgelassene Funk-Nummer “It Don’t Matter” (feat. JoJo) erinnert ein wenig an Bobby McFerrin, während das mitreißende “Do You Feel Love” (feat. Steve Vai) gut auf eines der von Quincy Jones produzierten Michael-Jackson-Alben gepasst hätte. Fantastisch ist auch Jacobs Version von George Harrisons “Here Comes The Sun” (feat. Dodie).
Während Jacob Collier auf “Djesse Vol. 1” seine Kollaboration mit dem niederländischen Metropole Orkest in den Vordergrund gestellt hatte, ist er hier nun, wenn er nicht gleich alle Instrumente selber spielt, mit kleineren Besetzungen zu hören. Die Musik klingt daher kompakter als auf dem Vorgänger. Dennoch scheint es, als wolle Jacob Collier mit jeder neuen Folge des Projekts die Messlatte für sich selbst noch etwas höher legen.