Der Paganini des Saxophons – “Caribbean Rhapsody” von James Carter
“James ist der Paganini des Saxophons”, schwärmt Roberto Sierra. “Er ist eins mit seinem Instrument. Und das fand ich sofort höchst beeindruckend.” Der Klang des Holzblasinstruments hatte den aus Puerto Rico stammenden klassischen Komponisten schon seit langem fasziniert. Doch erst als er James Carter in einem Konzert mit der Sopranistin Kathleen Battle hörte, fasste er spontan den Entschluss, für diesen außergewöhnlichen Solisten und sein Instrrument ein eigenes Werk zu schreiben. Die Uraufführung erlebte sein “Concerto For Saxophones And Orchestra” bereits 2002 in Detroit. Doch erst jetzt spielte James Carter es mit der Sinfonia Varsovia unter Leitung von Giancarlo Guerrero für CD ein. Seinen Titel “Caribbean Rhapsody” verdankt das Album einer weiteren Sierra-Komposition, die Carter mit der (nicht mit ihm verwandten) Violinistin Regina Carter und dem Streichquintett der Cellistin Akua Dixon aufnahm. Abgerundet wird diese einzigartige Einspielung durch zwei Solo-Interludien des Saxophonisten, die sich trotz des deutlich jazzbetonteren Einschlags harmonisch ins Gesamtbild dieses Albums fügen. Third Stream taufte der amerikanische Komponist Gunther Schuller Anfang der 1950er seine Synthese aus europäischer Neuer Musik und Jazz. Für die musikalische Umsetzung dieser Synthese bedarf es Akteure, die idealerweise in beiden Genres gleichermaßen versiert sind. Roberto Sierra, der u. a. bei György Ligeti an der Hochschule für Musik in Hamburg studierte, hat sich mit Schullers Abhandlungen zum Thema Third Stream offenkundig ausführlich auseinandergesetzt. “Als ich das Concerto schrieb, hatte ich James’ erstaunliche Technik und seine Fähigkeit zu improvisieren stets im Hinterkopf”, sagt er. “Ich komponierte das Werk derart, dass an bestimmten Stellen in der Partitur – inklusive in den Kadenzen – Räume für Extempores vorhanden sind.” James Carter versteht es brillant, diese Räume mit seinen jazzigen Improvisationen auf Tenor- und Sopransaxophon auszufüllen. Kongeniale Partner fand er in den Musikern der Sinfonia Varsovia. Und mehr noch in Regina Carter und dem Akua Dixon String Quintet, die seit Jahrzehnten erfolgreich zwischen den Welten des Jazz und der klassischen Musik hin- und herpendeln. Auf “Caribbean Rhapsody” ist Roberto Sierra und James Carter eine genauso faszinierende Zusammenarbeit gelungen wie 2004 Mark-Anthony Turnage und dem Jazzgitarristen John Scofield auf deren Album “Scorched”.