Liebe und Revolution – für Nicola Conte sind das keine sich anziehenden Gegensätze, sondern ein und dasselbe, vielleicht sogar: sich bedingende Bedürfnisse. „Die Liebe ist ein revolutionäres Ideal“, sagt der weltweit verehrte Dancefloor-Jazz-Produzent, Gitarrist, Bandleader, Style-Avantgardist und DJ aus der italienischen Adriaküstenstadt Bari, der „italienische Statthalter“ von Gilles Peterson. „Für mich ist „Love & Revolution“ ein Protestalbum, dabei aber auch romantisch und sentimental. Es geht um eine neue kulturelle Revolution.“
Mit den fünfzehn Tracks seines aktuellen Albums, der ersten Neuveröffentlichung auf dem revolutionären Impulse!-Label im 50. Jubiläumsjahr 2011, will Conte auch den Musikern Tribut zollen, die ihn seit jeher inspirieren, „dunklen und mystischen“ JazzIkonen wie Pharoah Sanders, Mal Waldron, Max Roach oder Jackie McLean, aber auch politischen Soulstars wie Curtis Mayfield, Marvin Gaye, Donnie Hathaway, Roy Ayers oder Nina Simone und solch psychedelischen Folk-Figuren wie den Byrds, Bob Dylan, Jefferson Airplane oder Bobbie Gentry. Dass er sich dabei zwar klassischer Stilmittel und Formen, aber eines betont zeitgemäßen und modernen Sounds bedient, ist Ehrensache – genau für diesen Brückenschlag steht Nicola Conte.
Seine vielgelobte Jazz-Combo hat der Maestro auf „Love & Revolution“ um eine internationale All-Star-Riege erweitert, die an Hipness nicht zu überbieten ist. Die Vocals kommen etwa von jungen Labelkollegen wie José James oder Nailah Porter, sowie vom soeben Grammy-nominierten Soul-Jazz-Boliden Gregory Porter, der Oivavoi- Leadsängerin Bridgette Amofah aus London oder der aus Brooklyn stammenden Melanie Charles, die auch schon mit Wynton Marsalis oder Michael Jackson zu hören war. Auch die instrumentalen Gäste sind erstklassig: Die Trompeter Till Brönner und Fabrizio Bosso, sowie der finnische Saxophonist Timo Lassy sind erneut mit von der Conte-Partie. Unter den Neuzugängen finden sich u.a. der amerikanische Saxophonist Tim Warfield und sein schwedischer Kollege Magnus Lindgren, auch bekannt aus den Bands von Nils Landgren, der die Musik des Albums außerdem arrangiert hat. (Kein Wunder: Lindgrens letztes Soloalbum „Batucada Jazz“ hat Contes Liebe zur Bossa Nova neu entfacht).
Die Tracklist dieses ebenso energischen (und tanzbaren) wie sensiblen (und hörenswerten) Albums begeistert mit acht Originalkompositionen aus der Feder des Leaders und sieben Selektionen von einigen der oben erwähnten Conte-Vorbilder. „Love From The Sun“, zum Beispiel, war einst Titelstück eines Albums von Drummer Norman Connors, damals gesungen von Dee Dee Bridgewater. Aus der fruchtbaren Kombination des Drummers Max Roach und des Sängers und Texters Oscar Brown Jr. für das legendäre Album „We Insist! Freedom Now Suite“ stammt „Freedom Day“, im Original interpretiert von Abbey Lincoln. Zu einer Komposition des Pianisten Mal Waldron hat Conte selbst sein eindrucksvolles „Temple Of Far East“ verfasst. „Quiet Dawn“, eine Komposition von Hardbop-Trompeter Cal Massey, hat ursprünglich Archie Shepp für sein Impulse-Album „Attica Blues“ eingespielt. Das alte Volkslied vom „Scarborough Fair“ verjüngt Conte im verneigenden Bezug auf die Version von Simon & Garfunkel. Das Resultat fasziniert als geschlossene Einheit, als Tribut und modernes Statement, denn „Love & Revolution“ ist vor allem, wie Nicola Conte konstatiert, eine „sentimentale Reise in die Zukunft.“
04/2011