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Sammeln oder hören? – Impulse!-Klassiker auf Vinyl

Zehn Impulse! Records Klassiker
Zehn Impulse! Records Klassiker
13.11.2015
Vinyl-Sammler sind ein Völkchen für sich. Sie jagen auf Flohmärkten, Versteigerungen und im Internet seltenen Tonschätzen hinterher, möglichst im Bestzustand oder noch versiegelt, nur um sie dann oft unausgepackt unter Verschluss zu halten. Das Nachsehen haben die eigentlichen Vinyl-Liebhaber, die sich die schwarzen Scheiben wegen der Musik und des Klangs kaufen. Denn die Sammler verknappen nicht nur das Angebot an alten Schätzen, sondern sorgen auch dafür, dass deren Preise manchmal bis ins Utopische steigen. Zu den oft gesuchten und nur für teures Geld auffindbaren Platten gehören auch viele der modernen Jazzklassiker, die einst beim Label Impulse! Records erschienen und zu deren erklärten Fans so unterschiedliche aktuelle Künstler wie der Black-Music-Überflieger Kamasi Washington, die Hip-Hopper Common, Nas und The Pharcyde, aber auch hiesige Soul-Größen wie Max Herre zählen. Sie alle lieben und verehren das legendäre Label, auf dem visionäre Jazzikonen wie John Coltrane, Keith Jarrett, Pharoah Sanders und viele andere bedeutende Alben veröffentlicht haben. Impulse! Records stand immer für freie Musik und freies Denken – aber natürlich auch für deepe Jazz-Grooves voller Seele und Spiritualität. Jetzt kehren zehn der wichtigsten, begehrtesten und auf dem Sammlermarkt teuersten Impulse!-Alben innerhalb der “Back To Black”-LP-Reissuereihe zurück. Neu gemastered in den Londonder Abbey-Road-Studios, in 180-Gramm-Vinyl gepresst und natürlich in den berühmten orange-schwarz-farbenen Gatefold-Hüllen – ganz wie wie die Originale. Ein Angebot nicht für Sammel-Fetischisten, sondern vor allen Dingen für Musikliebhaber.

Albert Ayler – In Greenwich Village

Der kontrovers diskutierte Avantgardist Albert Ayler hatte es seinem berühmten Kollegen John Coltrane zu verdanken, dass er 1966 einen Plattenvertrag bei Impulse! erhielt. Das Material für sein erstes Album, das heute auch als sein bestes überhaupt gilt, wurde bei zwei Auftritten “In Greenwich Village” mitgeschnitten. Es entstand mit einer ungewöhnlichen Besetzung: Denn zu Albert und seinem Bruder Donald, einem Trompeter, gesellten sich zwei Bassisten (Bill Folwell und Alan Silva), ein Cellist (Joel Friedman), ein Violinist (Michel Sampson) und Schlagzeuger Beaver Harris. Ayler bedankte sich bei seinem Mentor auf eigene Art: indem er ihm den Opener “For John Coltrane” widmete, für den er kurioserweise vom Tenor- zum Altsaxophon wechselte.

Alice Coltrane – World Galaxy

Das 1972 erschienene Album “World Galaxy” war Teil einer Trilogie mit orchestralen Werken, die den üblichen Rahmen des Jazz sprengten. Neben eigenen Kompositionen interpretierte Alice Coltrane die beiden John-Coltrane-Klassiker “A Love Supreme” und “My Favorite Things”. Begleitet wurde die Witwe des Saxophonisten, die hier Piano, Orgel, Harfe, Tamboura und Perkussion spielte, von Saxophonist Frank Lowe, Violinist Leroy Jenkins, Bassist Reggie Workman und Schlagzeuger Ben Riley sowie einem 16-köpfigen Streichorchester. “Mit Abstand eine der stärksten Einspielungen, die Alice Coltrane je veröffentlichte, und einer der feinsten Momente im Jazz der frühen 1970er”, urteilte Thom Jurek im All Music Guide.

John Coltrane – Ascension

Mit “Ascension” nahm John Coltrane im Juni 1965 eines seiner abenteuerlichsten Alben auf. In dem rund 40-minütigen Titelstück wagte sich der visionäre Improvisator weiter auf das Gebiet der Avantgarde hinaus als je zuvor. “Ascension” wird oft mit Ornette ColemansFree Jazz” auf eine Stufe gestellt, obwohl der Tenorsaxophonist der Musik mit der ihm eigenen leidenschaftlichen Spiritualität eine ganz andere Intensität verleiht. Sein langjähriges Quartett (mit McCoy Tyner, Jimmy Garrison und Elvin Jones) verstärkte Coltrane für diese Einspielung durch die Saxophonisten Pharoah Sanders, Archie Shepp, Marion Brown und John Tchicai, die Trompeter Freddie Hubbard und Dewey Johnson sowie den Bassisten Art Davis. Bei dieser “Ascension!”-Ausgabe handelt es sich um die seltene erstveröffentlichte Version!

Charlie Haden – Liberation Music Orchestra

Mit dem Liberation Music Orchestra gründete Charlie Haden Ende der 1960er Jahre ein Instrumentalensemble, mit dem er sich in zeitlichen Abständen immer wieder zu politischen Themen zu Wort meldete. Die Band sollte zu einem der populärsten Ensembles des Bassisten werden und noch drei brillante Alben für ECM (“The Ballad Of The Fallen”, 1982), Blue Note (“Dream Keeper”, 1990) und Verve (“Not In Our Name”, 2005) aufnehmen. Auf ihrem ersten Album “Liberation Music Orchestra”, für das Carla Bley fabelhafte Arrangements schrieb, spielte das Liberation Music Orchestra u.a. ein Medley mit drei spanischen Widerstandsliedern, das “Einheitsfrontlied” von Hanns Eisler und Bertolt Brecht sowie “We Shall Overcome”, die berühmte Hymne der US-Bürgerrechtsbewegung.

Johnny Hartman – I Just Dropped By To Say Hello

Johnny Hartman mag nicht zu den großen Jazzsängern gerechnet werden (tatsächlich sah er selbst sich auch gar nicht als solcher). Aber Jazzgeschichte schrieb er dennoch, da er der einzige Sänger war, mit dem John Coltrane je ein Album eingespielt hat. Gut ein halbes Jahr nach der Aufnahme des Klassikers “John Coltrane And Johnny Hartman” kehrte Hartman ins Studio zurück, um das balladeske Soloalbum “I Just Dropped By To Say Hello” einzusingen. Begleitet wurde er von einer hochkarätigen Band mit Tenorsaxophonist Illinois Jacquet, den Gitarristen Kenny Burrell und Jim Hall, Pianist Hank Jones, Bassist Milt Hinton und Schlagzeuger Elvin Jones.

Keith Jarrett – Treasure Island

Das amerikanische Quartett, das der Pianist Keith Jarrett in den 1970er Jahren mit Saxophonist Dewey Redman, Bassist Charlie Haden und Schlagzeuger Paul Motian unterhielt, gilt als das Ensemble, das Jarretts erstaunliche Vielseitigkeit am besten zum Vorschein gebracht hat. “Treasure Island” war 1974 das zweite von insgesamt acht Alben, die dieses Quartett ( hier noch um den Gitarristen Sam Brown und die Perkussionisten Guilherme Franco und Danny Johnson erweitert) für Impulse! aufnahm.

Yusef Lateef – Psychicemotus

Schon früh empfand Yusef Lateef den Begriff Jazz als allzu einengend. Sein musikalischer Horizont war stets weitergesteckt und offen für Einflüsse afrikanischer und asiatischer Musik, aber auch europäischer Klassik. Ein gutes Beispiel dafür ist das 1965 entstandene Album “Psychicemotus”, auf dem Lateef neben dem Tenorsaxophon auch jazzfremde Instrumente wie Oboe, Bambus- und chinesische Flöten spielt. Das Repertoire enthält neben eigenen Kompositionen und Erik Saties “First Gymnopédie” zwar durchaus auch Jazzstandards wie Fats Wallers “Ain’t Misbehavin'”, Jerome Kerns “Why Do I Love You?” und Bud Greens “I’ll Always Be In Love With You”. Aber die wurden von Lateef kaum je in einem traditionellen Jazzsinn interpretiert.

Sun Ra – Space Is The Place

Für einige war Sun Ra nichts weiter als ein großer Scharlatan, für andere einer der ganz großen Mystiker und Innovatoren des Jazz. Fakt ist: Das verschrobene Genie, das stets leugnete irdischer Abstammung zu sein, schuf ein wirklich einzigartiges, abenteurliches Klanguniversum, das er ab den Mittfünfzigern bis zu seinem Abschied vom Planeten Erde (und seine Rückkehr zum Saturn) 1993 mit seinem Sun Ra Arkestra unermüdlich bereiste und erforschte. Während seines Aufenthalts auf der Erde nahm er über einhundert Alben auf, die meisten davon für sein eigenes Label El Saturn. Das faszinierende Album “Space Is The Place” entstand 1972 ursprünglich für Blue Thumb Records und wurde später von Impulse! wiederveröffentlicht.

Pharoah Sanders – Karma

Pharoah Sanders gehört zu den wenigen Saxophonisten der Post-Coltrane-Ära, die es geschafft haben, zu einen unverkennbar eigenen Sound auf dem Tenorsaxophon zu finden. Mit “Karma” gelang ihm 1969 ein unglaublicher Geniestreich. Denn das Album, das den Sänger Leon Thomas featurte, enthielt das spirituelle, epische Stück “The Creator Has A Master Plan”, das trotz seiner unglaublichen Länge (von über 30 Minuten) und avantgardistischen Ausrichtung zu einer Art Hit wurde und sogar im Mainstream-Radio abgespielt wurde. Wiederentdeckt wurde es in den 1990ern von Acid-Jazz- und Hip-Hop-Künstlern, die Pharoah Sanders zu neuer Popularität und Kultstatus verhalfen.

Gabor Szabo – The Sorcerer

Im Gegensatz zu vielen Jazzern blickte Gabor Szabo nicht hochnäsig auf Popsongs herab, sondern empfand sie als eine besondere Herausforderung:"Wenn du Popsongs spielst, kannst du damit nur beweisen, dass du ein besserer Musiker bist, weil du mit ihnen etwas anzufangen weißt", behauptete der ungarische Gitarrist. Was er damit meinte, zeigte er 1967 auf seinem Live-Album “The Sorcerer”. Das Repertoire reflektierte, was damals hip war: eine Bossa Nova von Roberto Menescal, ein Top−10-Hit von Sonny & Cher und ein Stück des französischen Filmkomponisten Francis Lai. Szabo verstand es, diesem Material einen deutlich jazzigen Anstrich zu geben, ohne den poppigen Melodien ihren Zauber nehmen.