Le(e)ssons in Understatement – Peggy Lee in Clear Vinyl
Man könnte meinen, Zeilen à la “I like a dance by Fred Astaire / And Brando’s eyes, Yul Brynner’s hair” wären ein Indiz für die Menge Zeit, die seit Peggy Lees größten Erfolgen vergangen ist. Tatsache ist: Als Peggy Lee diesen Song schrieb, hatte der glorreiche Eine haupthaartechnisch schon längst blankgezogen. Was im Umkehrschluss bedeutet: Längst nicht nur der Album-Opener “I Love Being Here With You” zeigt, dass Peggy Lee auch als Songschreiberin mit allen Wassern des subtilen Understatements gewaschen war.
Norma Deloris Egstroms alias Peggy Lees größte Gabe war, Verruchtheit klingen zu lassen, als würde sie einem kleinen Kind das Schnürsenkelbinden beibringen: sanft, geduldig, geradezu zurückhaltend. Aber eben auch: mit einem ganz klaren Ziel vor Augen. Unbeirrt und ihrer selbst sowas von sicher. Und zu Recht: Wo Kolleginnen mit Artistik und Lautstärke Ausdruck zu erzwingen suchen, gurrt die Jubilarin sich mit gelungenem Gemach und immer leicht rauchig zum Erfolg. Davon hat Michelle Pfeiffer in “Die fabelhaften Baker Boys” geträumt.
Die auf “Ultimate Peggy Lee” zusammengestellte Auswahl umfasst Aufnahmen von 1946 – 1969. Darunter selbstverständlich Lee-Klassiker wie “Fever” und “I’m A Woman”. Eine der Perlen aber ist Erste unter Gleichen. Die Kuratorin der Zusammenstellung, Lees Enkelin Holly Foster Wells, hat mit der bisher unveröffentlichten Interpretation des Klassikers “Try A Little Tenderness” einen ganz besonderen Coup gelandet. Die Kamelhaarteppich-vor-Kamin-Erotik des Instrumentalparts ergänzt Lee um ein pseudo-sittsames Gesäusel, ganz so als würde sie “Zärtlichkeit” halbnackt und im Liegen buchstabieren. Besser wird’s nicht.
Holly Foster Wells, besagte Enkelin, hat nicht nur ein paar wohl formulierte Liner-Notes für das 2-LP-Gatefold beigesteuert. Für jeden der insgesamt 22 Songs gibt es zudem einen Steckbrief mit Hintergründen, Anekdoten und Mehr. Über die auch sonst in jeder Hinsicht edlen Verarbeitung soll genauso wenig geschwiegen werden: Für die limitierte Deluxe-Doppel-LP wurden zwei angemessen transparente 180-Gramm-Scheiben gepresst, diese stecken in einem wunderschönen Gatefold mit jeder Menge Platz für Fotografien der Dame, deren Schönheitsfleck selbst Cindy Crawford beeindrucken dürfte.
“Ultimate Peggy Lee” ist eine klanglich und visuell gelungene Hommage an eine große Interpretin des 20. Jahrhunderts. Norma Deloris Egstrom hätte heute sicher ihre wahre Freude daran. Mit der gelungenen Song-Auswahl ehrt die Executive Producerin Holly Foster Wells ihre berühmte Großmutter aber eben nicht nur als Stimme, sondern lenkt den Fokus verdientermaßen auch auf die anderen Talente Lees. Als Autorin und Songschreiberin, als eine, die sich aktiv in die Diskussion um die Interpretation eines Songs im Aufnahmestudio einbrachte und diesen deshalb unverwechselbar machte. All hail Peggy!
Die Limited-Clear-Vinyl-Ausgabe von “Ultimate Peggy Lee” gibt es exklusiv nur im JazzEcho-Shop, die Variante in schwarzem Vinyl ist überall im Handel erhältlich.