Tord Gustavsen | Aktuelle News und Rezensionen

Rezensionen von Tord Gustavsen

Vom musikalischen Prozess des Miteinanders
Seine Fans wissen: Tord Gustavsen fällt nicht mit der Tür ins Haus, er ist ein Meister des Vorspiels. Seine Stücke entfalten sich mit der exquisiten Langsamkeit, bei der sich die Nackenhaare aufstellen. Jeder Note fiebert man geradezu entgegen. Es gehe um die „Spannung zwischen Eleganz und Passion“, sagte der norwegische Pianist kürzlich dem „Independent“. „Natürlich möchte ich elegant sein, aber ich möchte jede Note mit rauer Passion füllen. Der Genuss liegt in den vielen kleinen Details, aus denen sich ein Groove zusammensetzt.“ Es gehe um das andauernde „Paradox zwischen Nähe und Distanz“. Man müsse als guter Improvisator im Moment ganz präsent sein, sich aber zurückhalten, damit der Höhepunkt wirklich erst am Ende kommt, so die tantrischen Erkenntnisse des Tord. Der meditative, gospelgetränkte Kammerjazz seines Trios hat ihm Millionen Fans beschert, auch außerhalb des Jazzpublikums. Besonders der britischen Presse hat es Gustavsen angetan. Als paradigmatisches „neues „Kind Of Blue“ umjubelte man 2003 sein Debütalbum „Changing Places“. Auf seinem neuen Album „Restored, Returned“ lässt sich der Anti-Macho Gustavsen gern etwas in den Hintergrund drängen vom lasziven Charme der Sängerin Kristin Asbjørnsen. Mal ätherisch wie eine nordische Fee klingend, dann wieder rau wie die kleine Schwester von Macy Gray, erobert sich die skandinavische Singer-Songwriterin mühelos den Mittelpunkt, wenn sie nicht auf verschiedenen Stücken die Fackel an den exzellenten, hörbar von Jan Garbarek inspirierten Saxofonisten Tore Brunborg abgibt. Durch das Material von „Restored, Returned“ aus musikalischen Miniaturen und „Mantras“, freien Improvisationen oder Wiegenliedern ziehen sich Vertonungen von Gedichten W.H. Audens, dessen Sammlung „Another Time“ Gustavsen begeisterte. In Poesie, die zum Songtext wird, suche er „nach sofortiger Befriedigung“, erklärte der Pianist im Frühjahr dem Musikjournalisten Steve Lake. 
vor 15 Jahren
Tord Gustavsen

News von Tord Gustavsen

Tord Gustavsen Trio – eine Art paradoxe Virtuosität
Pianist Tord Gustavsen begann seine ECM-Laufbahn mit drei Trio-Alben, die zwischen 2003 und 2007 veröffentlicht wurden und beim Publikum genauso gut ankamen wie bei der Kritik. Die JazzTimes meinte, diese Trilogie besäße die Kraft “destillierter Magie”, während der Guardian schrieb: “Gustavsens Melodien sind hypnotisierend stark, und Bass und Schlagzeug sind in seinem regulären Trio total integriert.” In den vier Aufnahmen, die danach für ECM folgten, lotete Gustavsen sowohl das Quartettformat aus als auch die Arbeit mit einem erweiterten Ensemble sowie dem alternativen Trio mit Simin Tander und Jarle Vespestad. Auf “The Other Side” kehrt der norwegische Pianist nun wieder zum klassischen Piano-Trio zurück. Mit von der Partie ist einmal mehr der treue Schlagzeuger Jarle Vespestad, der Gustavsen schon seit rund zwanzig Jahren wie ein Schatten folgt. Die Position des Bassisten übernahm Sigurd Hole, der bereits 2014 Mats Eilertsen im Tord Gustavsen Quartet ersetzt hatte. Holes eklektischer Ansatz – der sowohl Einflüsse von Folk als auch modernem Jazz aufweist – passt perfekt zu Gustavsens sich ruhig entwickelnden, zutiefst melodischen Stücken. Auf “The Other Side” bringt Gustavsen seine in der Jugend erworbene Liebe zur Kirchenmusik zum Ausdruck, aber auch seine erst in jüngerer Zeit entdeckte Leidenschaft für alte norwegische Volksweisen. Das Stimmungsspektrum dieser Mischung aus Eigenkompositionen und Arrangements von Chorälen reicht von ernster Schönheit bis hin zu fließender Dynamik. Durchweg geprägt ist diese Musik aber von dem scheinbar telepathischen Verständnis des Trios.  Nicht nur sind seit der Veröffentlichung von Gustavsens letztem Trio-Album elf Jahre verstrichen, auch der tragisch frühe Tod von Harald Johnsen, dem ursprünglichen Bassisten des Trios, liegt nun schon sieben Jahre zurück. “Ich wollte das Trio nicht einfach mit einem anderen Bassisten fortsetzen”, erklärt Gustavsen. "Das Quartett, das ich mit Jarle, Saxophonist Tore Brunborg und Bassist Mats Eilertsen hatte, schien mir auch so stark, dass es seine eigenen Aufnahme- und Tourneezyklen erforderte. Danach entwickelte ich das Projekt mit Simin Tander und Jarle Vespestad für das Album „What was said". Daraus entstand eine eigenständige Band mit speziellem Repertoire und einer starken Identität. In diesem Projekt arbeitete ich zum ersten Mal mit elektronischen Instrumenten und erweiterte den akustischen Klang des Klaviers durch Bass Synthesizer und Drones. Das Zusammenspiel mit Simin und Jarle wird sich weiterentwickeln und wir werden auch in Zukunft gemeinsam spielen. Dennoch schien es mir an der Zeit, eine neues Kapitel mit dem Klavier-Trio aufzuschlagen und ein Album aufzunehmen, auf dem das Klavier die Hauptstimme übernimmt. Diese neue Version des Trios scheint auf einer Linie mit der ursprünglichen Gruppe zu liegen, auch wenn sie auf einer anderen Wellenlänge existiert – das sollte sie aber auch, da sie irgendwie auf alles zurückgreift, was zwischen diesen ersten Platten und jetzt passiert ist. Und das Trio steht für Tords Leidenschaft für die paradoxe Verbindung von Klarheit und Freiheit. Der Titel “The Other Side” spiegelt eine Vielzahl von Ideen wider, ist aber auch eine Anspielung darauf, dass das Trio eine andere Seite von Gustavsens musikalischem Schaffen darstellt als das Quartett oder die Gesangsexperimente jüngerer Zeit, von seinen diversen Nebenprojekten mit Chören, Fiddle-Spielern und sogar iranischen Musikern ganz zu schweigen. “Dann steckt in dem Titel auch noch die Idee von der anderen Seite der Virtuosität des Trios, eine Art paradoxe Virtuosität, bei der man nicht alle Töne spielt, die man spielen kann, sondern nur die Töne, die wirklich gebraucht werden”, sagt er. “Es geht darum, sein Ego dem Fluss der Musik unterzuordnen – und das erfordert eine Art ‘radikales Zuhören’ -, mehr zuhören als spielen. Das ist eine Leidenschaft, die wir drei teilen.”  Für das Album arrangierte Tord Gustavsen drei Choräle von Johann Sebastian Bach sowie einen von dem dänischen Komponisten, Organisten und Volksliedsammler Ludvig Mathias Lindeman (1812–1887). Bachs “Schlafes Bruder” verpasste Vespestad einen tiefen Groove, während Lindemans “Kirken, den er et gammelt hus” abwechselnd nachdenklich und rhapsodisch wirkt und mit einer elektronisch unterlegten Bass-Intro aufwartet. “Wir interpretieren die Kirchenmusik, mit der ich aufgewachsen bin, auf abstrakte Art”, erklärt der Pianist.  Das groovende “Re-Melt” und den eindringlichen “Leftover Lullaby No. 4” komponierte Gustavsen als divergierende Antworten auf die Choralarrangements. Das Gospel-gefärbte Stück “Tunnel” und das melodische Highlight “Taste And See” schrieb er ursprünglich für ein Literaturfestival in den Bergen im Nordwesten Norwegens, wo die Stücke in Verbindung mit Lesungen gespielt wurden; mit dem Trio hat er sie inzwischen weiterentwickelt. Der bluesig-hymnische Titelstück und das hinreißende “Curves” sind Originale, die Gustavsen auf Tourneen mit dem Quartett während der Soundchecks komponierte. Inspiration lieferten ihm dabei die musikalischen Reaktionen der anderen Gruppenmitglieder auf seine Ideen. Auf dieselbe Weise entstand im Grunde auch das ruhig-atmosphärische “Duality”, das im Studio dann aber als weitgehend freie Improvisation aufgenommen wurde.
vor 6 Jahren
Tord Gustavsen
Ende August bei ECM – spannende Neuheiten aus Norwegen und Südkorea
Obwohl das Near East Quartet (NEQ) auf der südkoreanischen Musikszene schon seit acht Jahren eine feste Größe ist, hat man in Europa bislang nur wenig von ihm gehört. Das wird sich nun mit dem aufregenden Debütalbum für ECM und einem Auftritt beim London Jazz Festival sicher ändern. Als das Ensemble 2016 mit dem Korean Music Award für das beste Jazz- und Crossover-Album ausgezeichnet wurde, hieß es in der Laudatio: “Durch die Kombination von Jazz und traditioneller koreanischer Musk mit herausragender Kreativität eröffnete NEQs Musik eine neue Epoche.” Gegründet wurde das NEQ 2009 von dem Saxophonisten und Klarinettisten Sungjae Son und dem Gitarristen Suwuk Chung. Seit 2015 komplettieren es die Pansori-Sängerin Yulhee Kim (Pansori ist ein Volksmusikstil, der gelegentlich irreführend als “koreanische Oper” bezeichnet wird) und die sehr kreative Schlagzeugerin Soojin Suh, die manche schon mit Paul Motian verglichen. Auf seinem ECM-Debüt spielt das NEQ fünf Kompositionen von Sungjae Son und drei traditionelle koreanische Lieder. Ab jetzt ist der Album-Opener “Ewha” auf allen Streaming Plattformen verfügbar. Mit seinem unverhohlenen Lyrismus, markanten Themen und einem Sinn für unablässigen melodischen Erfindungsreichtum besitzt das neue Album des norwegischen Saxophonisten Trygve Seim ganz sicher das Potential mit der Zeit zu einem Klassiker zu werden. Wie der Titel des Albums nahelegt, komponierte Seim den Großteil seiner “Helsinki Songs” in der finnischen Hauptstadt. Eingespielt hat er die elf Stücke, in denen er u.a. Igor Strawinsky, Jimmy Webb, Ornette Coleman und Bill Evans, aber auch seinen eigenen Quartett-Kollegen Tribut zollt, dann allerdings in Oslo mit Musikern, die auf derselben Wellenlänge sind wie er: dem estnischen  Pianisten Kristjan Randalu, dem norwegischen Bassisten Mats Eilertsen und dem finnischen Schlagzeuger Markku Ounaskari. Vorab ist jetzt schon die Nummer “Sol’s Song” überall zu hören. Das hymnische Stück, das der Saxophonist seiner siebenjährigen Tochter gewidmet hat, dürfte ECM-Fans auf wohlige Weise an die fantastischen Aufnahmen von Keith Jarretts europäischem Quartett erinnern. “Relaxed… erfüllt das dritte Album des souverän agierenden Pianisten Gustavsen alle Anforderungen, die man an ein norwegisches Klavier-Trio stellen kann”, meinte Sven Thielmann 2007 in Stereoplay über Tord Gustavsens Album “Being There”. In den darauffolgenden rund zehn Jahren experimentierte der Pianist dann mit anderen Gruppierungen und Formaten. Nun kehrt er mit “The Other Side” – im Januar 2018 in den Rainbow Studios in Oslo aufgenommen – wieder entschieden zum Klavier-Trio zurück. Mit von der Partie ist dabei natürlich erneut der Schlagzeuger Jarle Vespestad, der bisher auf allen ECM-Alben von Gustavsen präsent war. Die Position des Bassisten besetzt nun Sigurd Hole, der schon 2014 Mats Eilertsen im Tord Gustavsen Quartet ersetzt hatte. Holes eklektischer Ansatz – der sowohl Einflüsse von Folk als auch modernem Jazz aufweist – passt perfekt zu Gustavsens sich ruhig entwickelnden, zutiefst melodischen Stücken. Der Album-Opener “The Tunnel” liefert ab heute bei allem Streaming Diensten einen ersten Eindruck. In Deutschland wird das neue Tord Gustavsen Trio das Programm von “The Other Side” erstmals am 20. August auf Schloss Elmau live präsentieren. Alle drei Alben erscheinen erst am 31. August, können aber jetzt schon vorbestellt werden.
vor 6 Jahren
Tord Gustavsen
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